Hitchhiken über den Atlantik – Ein Guide für deine Atlantiküberquerung
Hitchhiken ist in der ganzen Welt als günstige und abenteuerliche Reisemethode bekannt, aber hitchhiken über den Atlantik?
Wenn ich anderen Reisenden davon erzähle, dass ich den Atlantik nicht per Flugzeug, sondern in einem Segelboot überquert habe, kommt bei vielen Staunen und Begeisterung. Viele haben davon noch nie gehört und würden es gerne auch mal ausprobieren, wenn sie nur wüssten, was sie beachten müssten und wie es am besten geht.
Da ich durch meine Atlantiküberquerung einige Erfahrungen sammelte, möchte ich hier einen kleinen Guide schreiben, um dir zu beschreiben, was du alles beachten musst und wie Du den Atlantik auch mit einem Segelboot überqueren kannst.
Ablauf einer Atlantiküberquerung
Viele Reisende heutzutage haben den Traum nach Fernreisen, möchten aber dennoch möglichst wenige Emissionen verbrauchen. Da kommt die Frage auf, kann das große Wasser auch auf eine andere Weise als mit dem Flugzeug überquert werden?
Mit ein bisschen recherchieren wirst Du schnell fündig und bemerkst, dass es mit Segelbooten möglich ist. Aber von wo nach wo segeln die Kapitäne? Und Wann ist die beste Zeit zum hitchhiken über den Atlantik?
Die meisten Kapitäne segeln in Südspanien los und begeben sich auf den Weg zu den kanarischen Inseln. Die Hauptanlaufstellen dort sind Gran Canaria, Teneriffa und Lanzarote. Aber auf allen Inseln gibt es Marinas und auf den Hauptinsel gibt es viele andere Hitchhiker, die auch nach Booten suchen.
Von den Kanaren geht es dann Richtung Karibik. Viele Kapitäne machen aber vorher einen Stopp auf den Kap Verden, bevor sie nach Westen segeln. In der Karibik gibt es jede Menge Auswahl an Ankunftsorten. Oft geht es zur vierer Inselgruppe von St.Lucia, Martinique, Dominika und Guadaloupe (zwei der Insel sind französisches Gebiet und dadurch quasi Europa, was die Einreise vereinfacht).
Die beste Zeit für ein Atlanticcrossing ist von Oktober bis Januar. In diesem Zeitraum fahren die meisten Boote in die Karibik, da es keine Hurrikansaison ist. Auch außerhalb der Saison fahren Boote noch Richtung Westen, aber die Chancen sind viel geringer und die Wetterrisiken weitaus höher.
Startpunkt für die Atlantiküberquerung
Eine der mir am häufigsten gestellten Fragen ist die des Startpunktes. Wo musst Du hinreisen, um viele Boote abzufangen, die auf die andere Seite segeln möchten?
Der Startpunkt zum hitchhiken über den Atlantik kann an mehreren Orten in süd-west Europa sein, entweder in Südspanien oder Portugal.
Viele Reisende, so auch ich, gehen zum südlichen Zipfel von Spanien, kurz vor Gibraltar, dort liegt La Linea. Diese kleinere Stadt hat einen riesigen Hafen und fast alle Boote wollen den Atlantik überqueren. Die Stadt ist daher ein toller Ausgangspunkt, um eine Mitfahrgelegenheit zu finden. Auf der anderen Seite gibt es auch mehr „Konkurrenz“, denn auch andere Hitchhiker möchten ein Boot finden. Hier wird aber nicht um Boote gekämpft, sondern es entsteht eine wunderschöne, kleine Community und jeder freut sich für diejenigen, die ein Boot finden.
Als ich in La Linea ankam, wurde ich gleich freundlich in die Gruppe aufgenommen und hatte eine tolle, wenn auch kurze Zeit mit den anderen Hitchhikern.
Auch in Cadiz sollst Du gute Chancen haben, ein Boot für deine Überfahrt zu finden.
Wie findest du ein Boot für die Atlantiküberquerung
Nun bist Du in der Marina angekommen, aber was jetzt?
Um auf dich aufmerksam zu machen gibt es viele verschiedene Möglichkeiten, diese werde ich dir in den folgenden Unterpunkten genauer erklären.
Menschen in der Marina ansprechen
Die klassische Methode in der Marina ist, die Kapitän*innen direkt anzusprechen. Dazu suchst Du dir am besten einen Ort in der Marina, an dem viele Menschen vorbeikommen. Stell dich darauf ein,den ganzen Tag dort zu sitzen und nehme genügend Wasser und Essen mit. Immer wenn Personen vorbekommen, kannst Du diese, am besten mit einem kleinen Smalltalk, ansprechen. Frag ob sie ein Boot haben und wo sie planen hinzusegeln. Falls sie sagen, sie segeln in die Karibik, kannst du vorsichtig fragen, ob sie bereit wären, Hitchhiker mitzunehmen oder ob sie noch einen Platz frei haben.
Menschen in der Marina anzusprechen kann gut funktionieren, fühlt sich manchmal aber auch komisch an. Ich habe diese Methode versucht anzuwenden, fühlte mich aber oft unwohl, wenn ich die Leute einfach fragte, ob ich bei ihnen auf dem Boot mitfahren kann. Ich glaube aber, dass Du nach einigen Malen besser weißt, wie Du die Menschen ansprichst und was am besten funktioniert.
Aushänge Zettel schreiben
Eine weitere Möglichkeit ist, dass Du einen kleinen Brief über sich selbst schreibst und diesen ausdruckst und in der Marina aufhängst (wenn es erlaubt ist).
Dort sollten am besten folgende Informationen hinein:
- Kleine Einführung über dich
- Deine Interessen/ Hobbies
- Deine Fähigkeiten, warum es gut wäre, dich auf dem Boot zu haben
- Warum Du über den Atlantik segeln möchtest
- Kontaktmöglichkeiten wie Telefonnummer
- Wenn Du hast und möchtest Social Media oder andere Webseiten von dir
- Foto von dir
Wenn Du diesen Zettel so in der Marina platzierst, dass viele Menschen ihn lesen, kannst Du auch so Kontakte für ein Boot finden.
Kontakte knüpfen
Ich habe oft über verschiedenste Wege nach Booten gesucht und bin dadurch immer wieder mit Kapitänen in Kontakt gewesen. Manchmal kommt die Zusammenfahrt aber durch verschiedenste Gründe nicht zustande. Dann ist es trotzdem gut diese Kontakte zu haben und weitere Kontakte zu bekommen, denn vielleicht kennt ein Kapitän eine andere Person, die gerade das gleiche Ziel hat wie Du. Auch der Kontakt zu anderen Hitchhikern kann sehr hilfreich sein, denn vielleicht hat ein Hitchhiker schon mehr Kontakte und mehr Erfahrungen gesammelt, sodass diese Person dir dabei helfen kann, an ein Boot zu gelangen.
Marinas anschreiben
Wenn Du deine Reichweite vergrößern möchtest und nicht an allen Orten gleichzeitig sein kannst, versuche den Kontakt von Marinas herauszufinden. Findest Du eine E-Mail Adresse oder Telefonnummer, kannst Du die Marina direkt kontaktieren und freundlich fragen, ob sie die eincheckenden Boote fragen können, ob sie noch ein Crewmitglied bräuchten.
Du kannst sie auch fragen, ob sie deinen geschriebenen Zettel ausdrucken und im Marinaoffice ausdrucken können, sodass andere Kapitän*innen dich sehen und kontaktieren können.
Oft musst Du den Marinas aber immer wieder eine Erinnerung schreiben, damit sie dran denken.
Online Plattformen
Eine etwas einfachere Methode ist die Nutzung von verschiedenen Webseiten. Hier kannst Du dir ein Profil erstellen, etwas über dich und deine Erfahrungen schreiben und andere Kapitän*innen suchen und anschreiben. Bei mir hat diese Methode am besten funktioniert und ich habe zwei meiner drei Kapitäne darüber gefunden.
Wenn Du dich jetzt fragst wie diese Plattformen heißen, gebe ich dir hier ein paar Beispiele.
Für mich hat Findacrew.net am besten funktioniert. Hier erstellst Du ein Profil und kannst dabei sehr genau auswählen, was Du bei dem Boot und Kapitän haben oder nicht haben möchtest, zum Beispiel kannst Du angeben, ob Du offen für eine Romanze bist. Du kannst auch vieles über dich angeben, ob Du zum Beispiel nach einer besonderen Diät lebst oder wie viele Seemeilen Du schon gesammelt hast.
Hast Du ein Profil erstellt, kannst Du nach Booten suchen (als Kapitän*in kannst Du andersherum auch nach Crew suchen) und wenn Du jemanden gefunden hast der in die gleiche Richtung fährt, versuchen diese Person anzuschreiben. Leider ist es bei findacrew.net nicht immer ganz einfach die Kapitän*innen anzuschreiben, weil mindestens eine Person dafür einen Premium Account braucht, der Geld kostet, und manche einstellen, dass nur Accounts mit Verifizierung den eigenen Account anschreiben dürfen. Diese Verifizierung kostet auch Geld, weswegen ich dies nie gemacht habe und dadurch vielen Menschen nicht schreiben konnte, aber bei den wenigen denen ich schreiben konnte, hat es dann geklappt.
Die zweite Webseite die ich genutzt habe ist Crewbay.com. Auch hier legst du dir ein Profil an und kannst anschließend Boote anschreiben. Hier ist alles weniger detailreich, aber Du kannst auch ohne Probleme jede Person anschreiben.
Mit dieser Webseite habe ich viele Kontakte knüpfen können, aber leider ist es nie zum gemeinsamen segeln gekommen. Dennoch eine super Plattform.
Eine etwas andere Webseite ist Noforeignland.com. Hier kannst Du in einer Karte direkt sehen, wo Boote, aber auch Marinas etc., sind. Die Boote kannst Du alle mit einer Nachricht anschreiben. Leider bekommst Du keine Benachrichtigung per E-Mail wenn dir jemand schreibt, daher vergessen Kapitän*innen (und ich auch) zu antworten oder in die Webseite zu schauen. Wenn Du mehr Zeit für deine Suche hast, kannst Du hier aber sicherlich gut nach Booten schauen.
Es gibt auch noch viele weitere, wie Handgegenkoje.de oder Oceancrewlink.com. Diese beiden habe ich weniger aktiv benutzt als die oberen, aber sie können dir sicherlich auch gut helfen, um ein passendes Boot zu finden.
Über eine Webseite in Kontakt treten
Möchtest Du jemanden über eine der Webseiten anschreiben, ist es wichtig, ein paar Informationen direkt am Anfang anzugeben.
- Kurze Einleitung über dich
- Motivation fürs Segeln
- Gesammelte Seemeilen/ Erfahrungen
- Nächste Segelpläne
- Zeitraum für deine Segelpläne
Verpacke diese Infos in eine kurze Nachricht und schicke sie an die passenden Personen.
Facebookgruppen
Auch Facebookgruppen sind sehr hilfreich, um neue Kontakte zu knüpfen, andere Hitchhiker kennen zu lernen und Boote zu finden. Hier gibt es einige generelle Segelgruppen, wie Sailing Crew Finders Whole World, Atlantic Ocean Crew, Sailboat Crewfinder Worldwide, für Frauen auch Sailing Women on Yachts und viele mehr. Suche einfach nach Sailing in der Gruppensuche und Du wirst viele finden.
Es gibt auch jede Menge kleine Gruppen für jeweilige Orte und auch für die Karibik gibt es die Gruppe Caribbean Sailing Crew.
In den Gruppen findest Du Post von Leuten die entweder Crew oder Boote finden. Wenn Du selber ein Boot finden möchtest ist es gut, einen Post in eine oder mehrere Gruppen zu schreiben. Dort kannst Du, wie oben beschrieben, alle wichtigen Daten reinschreiben. Fasse dich auch hier kurz. Füge noch ein paar Fotos dazu, damit die Leute sehen, wer Du bist und was Du gerne machst.
Meine Erfahrung – Geduld und Glück, nutze alle Möglichkeiten
Mit all diesen Methoden wirst Du 100%ig ein Boot für deine Überfahrt finden, auch wenn es sich am Anfang noch wie eine riesige Aufgabe anfühlt. Auch ich war mir zu Beginn nicht sicher, ob ich es wirklich über den großen Teich schaffen würde, gerade weil ich mich so unwohl beim Menschen ansprechen gefühlt habe.
Aber aus meinen Erfahrungen kann ich sagen, mit etwas Geduld, Glück und einer Kombi aus allen oben aufgeführten Möglichkeiten, findest Du ein Boot.
Gut zu wissen – Tipps für die Überfahrt
Sei ehrlich bei deiner suche
Wenn Du auf Menschen zugehst oder sie anschreibst bleibe ehrlich bei deinen Fähigkeiten und Hobbies etc. Wenn es zum zusammensegeln kommt verbringt ihr mehrere Tage bis Wochen auf sehr engen Raum zusammen und es fällt schnell auf, wenn Du vorher von unrealistischen Fähigkeiten gesprochen hast. Auch finde ich, ist es immer wichtig, ein solches Abenteuer auf einer offenen und ehrlichen Basis zu starten (beidseitig).
Lass die Menschen auch auf dich zukommen
Bei meiner ersten Suche habe ich viel Zeit in der Marina verbracht und eines Tages war ich komplett alleine. Normalerweise, wenn wir mit vielen Hitchhikern zusammen saßen, kamen die Menschen nicht auf uns zu, sondern wir mussten auf sie zugehen. Doch als ich ganz alleine da war, kamen die Menschen auf einmal auf mich zu und fingen Gespräche mit mir an. Durch diese Kontakte habe ich schlussendlich mein erstes Boot gefunden.
Nutze alle deine Möglichkeiten
Auch wenn ich die Boote meist über dieselbe Plattform gefunden habe, fühlte es sich immer besser an, wenn ich wusste, ich habe auch alle anderen Möglichkeiten zur Suche genutzt. Ich habe auch von anderen Hitchhikern gehört, die über andere Plattformen zu ihren Booten gefunden haben, also nutze alle deine Möglichkeiten, um die beste für dich zu finden.
Genügend Zeit
Die Bootsuche kostet Zeit. Manchmal kann es einige Tage, aber manchmal auch mehrere Wochen dauern. Es kommt immer darauf an, auf wen Du triffst, welche Saison ist und ob Du dich nur auf die Suche fokussierst oder nebenbei arbeitest oder herumreist. Wenn Du über den Atlantik hitchhiken möchtest heißt es: slow traveling.
Drei Wochen ohne Netz – Fluch oder Segen?
Stell dich darauf ein, dass Du bei einer Atlantiküberfahrt für mindestens drei Wochen komplett abgeschnitten von allem sein wirst. Du wirst kein Land sehen, kannst niemandem schreiben und hast kein Internet. Manchmal kann es angenehm sein, abschalten zu können, aber drei Wochen können auch lang sein.
Wie gehe ich mit Seekrankheit um
Direkt während meines ersten Segeltages wurde ich seekrank und hatte daher Anfangsschwierigkeiten mit dem Segeln. Bei allen weiteren Segeltrips habe ich daher kurz vor dem Ablegen eine Tablette gegen Seekrankheit genommen. Nimmst Du sie vorher wirkt sie viel besser und Du wirst nicht seekrank (Du trickst deinen Kopf aus). Eine am ersten Tag reichte bei mir für die gesamte Segelzeit. Nach einer gewissen Zeit bist Du an all die Wellen gewöhnt und brauchst keine Tabletten mehr. Habe auf jeden Fall immer ein paar Tabletten dabei, nur für den Fall.
Habe etwas zu tun
Für einige kann es schwierig sein, drei Wochen „an einem Ort“ zu verbringen, ohne sich zu langweilen, denn die Umwelt bleibt immer gleich, es gibt nur Wasser und mehr Wasser. Daher ist es wichtig sich vorzubereiten. Nimm dir mehrere Bücher mit, downloade Filme oder Hörbücher. Habe was zum schreiben oder spielen. Und ganz wichtig sei auf einem Boot mit Menschen mit denen Du dich sehr gut verstehst!
Vegan an Bord
Eine vegane oder anderweitige Diät wird unter Segler*innen oft in Frage gestellt. Viele finden die Lagerung von viel Obst und Gemüse über die Zeit schwer und wollen lieber ihre eigene Diät ausleben. Meine vegane Diät hat oft dazu geführt, dass ein zusammensegeln nicht funktioniert hat. Manche sind aber auch offen gegenüber neuem und wenn Du anbietest zu kosten, lassen sie dich dein Ding machen. Vielleicht könnt ihr auch vorher besprechen, welche Gerichte ihr kochen könnt, sodass es allen schmeckt. Für mich hat es immer sehr gut geklappt, auch an Bord vegan zu bleiben, nur ab und zu habe ich mal etwas mit Käse oder Ei gegessen (nur auf der ersten Überfahrt, wenn jemand anders gekocht hat).
Hast Du sonst noch Fragen zum hitchhiken über den Atlantik?