Segeltagebuch – Segelüberfahrt auf die kanarischen Inseln
Ich wollte meine Reise nach Nordamerika so nachhaltig wie möglich gestalten. Daher war mein Plan nicht in ein Flugzeug zu steigen, sondern den Atlantischen Ozean per Segelboot zu überqueren. Dafür musste ich zunächst auf die kanarischen Inseln kommen, da von dort die meisten Boote nach Amerika lossegelten. In La Linea begab ich mich daher auf die Suche nach einem Segelboot. Welche Herausforderungen, Glücksmomente und Erfahrungen ich dabei machen konnte, erzähle ich in diesem Segeltagebuch.
Der Weg zu meinem Boot
01.11.2021: Ich habe es nach Gibraltar geschafft! Für mich ist dieser Gedanke immer noch fern, ich werde mich jetzt wirklich auf die Suche nach einem Boot begeben. Noch habe ich Angst vor dieser riesigen Aufgabe, immerhin ist es ein riesiger Schritt aus meiner Comfortzone.
Werde ich ein Boot finden das mich mit auf die kanarischen Inseln bringt? Wie lange wird das dauern und werde ich mit den Menschen auf dem Boot gut klarkommen?
All diese Fragen schwirren mir schon seit einigen Tagen durch den Kopf. Jeder Mensch, den ich bisher getroffen habe, war beeindruckt von meinem Plan und gespannt, wie meine Reise weiter verlaufen würde. Auch ich selbst bin super gespannt, aber trotzdem gibt es auch diesen inneren Konflikt, ob ich es überhaupt schaffen kann.
03.11.2021: Heute gehe ich das erste Mal zum Harbor und möchte nach Booten suchen. Auf dem Weg dorthin treffe ich direkt die ersten Backpacker, die auch über den Atlantik segeln wollen und ich werde in ihre Gruppe aufgenommen.
Wir verbringen den Tag am Harbor, ohne dass viel passiert. Die anderen sind zwar schon länger auf der Suche, scheinen die Menschen aber gar nicht aktiv anzusprechen. Ich selbst habe einen inneren Druck in mir, dass ich schnell ein Boot finden möchte. Daher versuche ich selbst, an die Stege zu gehen und mit Menschen in Kontakt zu kommen.
Das ist aber gar nicht so leicht, ich fühle mich komisch, wenn ich Leute mit einem Boot ansprechen will. Der erste Tag verläuft daher ohne Erfolg, aber ich habe theoretisch alle Zeit der Welt (nur mein eigener Druck stresst mich).
Dafür nahmen mich die anderen mit zu ihrem Wildcamping Camp. Auch ich wollte in den Tagen, bis ich ein Boot gefunden hatte, in meiner Hängematte übernachten und freute mich, dabei nicht alleine zu sein.
Meine erste Übernachtung auf einem Segelboot
06.11.2021: Als ich aufwache fühlt sich der Tag an, als würde er gut werden. Vor ein paar Tagen habe ich mir gewünscht, dass ich Samstag (heute) ein Boot finde, also schauen wir was passiert. Zunächst verlassen uns aber zwei Backpacker. Nach langer Zeit des Wartens haben sie entschieden, mit der Fähre nach Gran Canaria zu fahren, um endlich einen Fortschritt sehen zu können.
Gemeinsam tranken wir Kaffee und Tee in der Bar am Hafen und verabschiedeten die beiden. Anschließend ging ich alleine zum Hafen. Die anderen aus unserer Gruppe (mit denen ich mittlerweile sehr eng connected war) hatten an diesem Tag verschiedene Pläne, aber ich freute mich auch über etwas Ruhe und Zeit zum Nachdenken. Auch am Harbor war nicht viel los und so saß ich auf einer Bank, beobachtete die Menschen und das Geschehen.
Einmal kamen zwei junge Männer zu mir und fragten nach meinen Reiseplänen. Das Boot der beiden war leider schon voll, aber sie wollten abends eine Party schmeißen und luden mich dazu ein. Ich sagte sofort zu, denn so konnte ich endlich auf einen der Stege (die sonst nur für Leute mit Boot zugänglich sind) und vielleicht andere Kapitäne kennen lernen. Das war doch mal ein erster Erfolg!
Später kam ein anderer Franzose zu mir und wieder erzählte ich meine Pläne. Auch er meinte, das Boot wäre voll, aber er könnte den Kapitän fragen, ob ich diese Nacht auf dem Boot übernachten könnte. Auch dazu willigte ich freudig ein, denn so konnte ich die Erfahrung machen, auf einem Boot zu schlafen. Vielleicht kannte der Kapitän des Bootes außerdem noch andere Skipper, die noch einen Platz frei hatten.
Wenig später begab ich mich mit den anderen zum Boot und fand heraus, dass alle drei Männer vom selben Boot kamen. Die Crew war zu fünft und sie hatten die Aufgabe, einen Luxus Katamaran in die Karibik zu bringen. Die Überlieferung musste bis zu einem bestimmten Datum erfolgen, daher blieben sie nur eine Nacht in La Linea. Für mich war es perfekt.
Abends gingen wir zusammen nach Gibraltar und schauten uns die Stadt an. Zurück am Boot starteten wir dann unsere kleine Privatparty.
Leider kamen keine Leute von anderen Booten, aber trotzdem hatten wir eine Menge Spaß. Wir tranken, aßen und quatschten bis in den frühen Morgen und für mich war es schon ein Erfolg, mich auf einem Boot zu befinden.
Connections über Connections
07.11.2021: Der Kapitän des Bootes kannte zufällig einen anderen Skipper, der an diesem Tag nach La Linea kommen sollte und noch einen Platz frei hatte. Ihn wollte er kontaktieren und fragen, ob ich vielleicht bei ihm mitfahren könnte. Ich konnte mein Freude kaum in Zaum halten, bei dem Gedanken fast ein Boot zu haben!
Zuerst ging ich aber wieder zu meinen Backpacking Freunden, die alle an der Bar des Harbor standen. Dort war heute ein Markt und wir tranken und aßen gemeinsam. Dort blieb ich bis zum Abend und hatte eine wundervolle Zeit mit den Leuten, die ich zwar erst kurz kannte, die mir aber trotzdem so nah waren. Anschließend wollten wir gemeinsam ein Kürbissuppen–Dinner auf einem Hausboot essen. Eine aus unserer Gruppe hatte eins gemietet.
Außerdem bekam ich die Handynummer des anderen Skippers und konnte mich für den Abend mit der Crew verabreden, um zu schauen, ob wir zusammenpassen würden.
Ich ging erst zum Dinner, wo wir auf der Dachterrasse des Hausbootes saßen und den Sonnenuntergang beobachteten. Dort gab es neben der Suppe einen leckeren Salat, Oliven, Brot und Wein. Leider konnte ich nicht allzu lange bleiben, weil ich dann zum Boot gehen wollte.
Dort gab es erneut Wein und ich lernte die Crew kennen. Wir verstanden uns gut und der Kapitän hätte mich auch mitgenommen, aber er würde am nächsten Tag das Boot verlassen. Ein neuer Kapitän würde kommen und so konnte er mir nicht fest zusagen. Ich durfte aber auf dem Boot übernachten und wir feierten wieder bis spät in die Nacht.
Der neue Kapitän sagt Ja! – Das Segeln kann beginnen
08.11.2021: Gegen Mittag kommt der neue Kapitän beim Boot an und ihm wird alles gezeigt. Dann wird die Crew vorgestellt und es wird erklärt, dass ich gerne mitkommen würde, aber kaum Erfahrung habe. Für ihn ist das kein Problem und er sagt, ich darf mitkommen.
Ich kann es im ersten Moment gar nicht fassen und will es am liebsten gleich den anderen berichten.
Als ich die letzten Sachen an Land erledige, renne ich begeistert zu den anderen, um ihnen die freudige Nachricht zu überbringen. Auch wenn einige der Reisenden schon länger ein Boot suchen als ich, freuen sich alle sehr und wünschen mir Glück. Trotzdem fühlt es sich komisch an, sie bald schon zu verlassen. Aber ich bin auch unglaublich gespannt auf die Segelüberfahrt und kann es kaum erwarten.
Segeltagebuch Tag 1
09.11.2021: Früh am Morgen geht es los. Noch vor Sonnenaufgang wollten wir den Hafen verlassen und dem Festland auf Wiedersehen sagen. Ich konnte nicht viel helfen, weil ich nur wenig Ahnung von den Vorgängen hatte, aber die anderen beiden Crewmitglieder wussten, wie alles abläuft.
Wir fuhren, zuerst mit Motor, aus dem Hafen und aufs offene Meer hinaus. Dabei sahen wir Delfine und bald ging die Sonne auf. Wir entfernten uns immer weiter von Gibraltar und Spanien.
Hallo Seekrankheit
Nach den ersten Stunden auf dem wackeligen Boot merkte mein Körper, dass es gar nicht so leicht für ihn war, dauerhaft auf einem Boot zu sein. Als ich nachmittags nicht mehr verhindern konnte, unter Deck und auf die Toilette zu gehen, wurde mir so schlecht, dass ich mich wenig später über der Reling befand, um mich zu übergeben.
Mit ging es super schlecht, ich zitterte am ganzen Körper und ich fühlte mich unglaublich schwach. Ich bekam eine Tablette gegen Seekrankheit und ging in eine der Kajüten, um zu schlafen.
Abends wollte ich trotzdem meine erste Watch-Schicht mit dem Kapitän übernehmen da ich mich langsam besser fühlte.
Alle Crewmitglieder übernehmen alle paar Stunden eine Schicht, um nach anderen Schiffen Ausschau zu halten oder auf den Wind zu achten. Wir rotierten alle drei Stunden, sodass jeder ab und zu Pause hatte und schlafen konnte.
In der Schicht zeigte mir der Kapitän Dinge, auf die ich achten sollte und wie ich Schiffe in der Dunkelheit erkennen konnte.
Segeltagebuch Tag 2 – Nichts als Wasser
10.11.2021: Als ich am nächsten Morgen aufwachte, war jegliches Land um uns herum verschwunden. Der Wind hatte immer noch nicht zugenommen und wir mussten weiterhin mit Motor fahren.
Den Tag über ging es mir besser und ich konnte ein paar Momente aufschreiben und das Spiel der Wellen beobachten. Viel unter Deck aufhalten wollte ich mich aber trotzdem nicht, denn ich wollte nicht riskieren, wieder seekrank zu werden.
Abends vor meiner Schicht wurde mir wieder schummrig und ich wollte eine zweite Tablette nehmen. Ich wollte bei der Schicht vollkommen da sein und mich nicht auf meine Übelkeit konzentrieren. In meinen drei Stunden passierte rein gar nichts, wir waren gefühlt die einzigen auf diesem Ozean.
Segeltagebuch Tag 3 – Habe ich meine Seekrankheit überwunden?!
11.11.2021: Ich fühlte mich gut, die Sonne schien und es gab kaum Wind. Daher konnten wir immer noch nicht wirklich segeln. Dafür konnte ich in der Sonne sitzen und weitere Sachen aufschreiben. Lesen oder anderes traute ich mir noch nicht zu, aber es fühlte sich so an, als wäre meine Seekrankheit vorüber.
Abends kamen dann aber größere Wellen auf und wir bekamen mehr Wind. Endlich konnten wir den Motor abstellen und uns nur durch die Kraft des Windes fortbewegen. Vorher hatten wir die Segel als Hilfe genutzt, um weniger Benzin zu verbrauchen, aber jetzt konnten wir ihn ganz abstellen.
Die neue Umstellung des Windes war für meinen Körper leider wieder eine größere Umstellung und ich merkte, wie es meinem Magen missfiel. Dennoch wollte ich auf eine Tablette verzichten, um meinen Körper an die Situation zu gewöhnen.
Der Kapitän zeigte mir außerdem einen Trick, wie ich weniger Seekrank werden würde. So stellte ich mich an das Steuerrad und tat so, als würde ich das Boot, welches immer im Autopiloten war, selber segeln. Dabei konzentrierte ich mich auf den Horizont und auf eines der Lichter vom Boot. Der Trick klappte wunderbar und ich hatte die Übelkeit bald vergessen.
Segeltagebuch Tag 4 – Ne nicht ganz überwunden
12.11.2021: Langsam hatte ich mich an den Wind gewöhnt, aber trotzdem war mein Körper super ausgelaugt von den letzten Tagen und der Situation. Daher schlief ich den halben Tag. An diesem Tag schrieb ich nichts auf und war vom Nichtstun völlig fertig.
Nachmittags hatten sich die Wellen außerdem wieder vergrößert, was gut für das Boot und unsere Fahrt war, aber für mich wieder Übelkeit bedeutete. Besonders nachts bei meiner Schicht musste ich mich sehr konzentrieren, damit ich mich nicht übergab. Auch wollte ich mich nicht wieder ans Steuerrad stellen, weil mir an diesem Tag viel kälter war, als am Tag davor und ich körperlich kaum Kraft hatte.
Auch wenn ich eigentlich keine weitere Pille gegen Seekrankheit nehmen wollte, kam ich an diesem Abend nicht darum herum, denn ich wollte einfach nur, dass mein Magen sich beruhigt.
Segeltagebuch Tag 5
13.11.2021: Das Wasser war wieder ruhiger geworden und mein Magen hatte sich beruhigt. Die Sonne war auch wiedergekommen und ich konnte wieder Tagebuch schreiben. Alles schien gut, aber ich vertraute der Sache nicht ganz, denn die Tabletten hielten relativ lange an und ich wollte mich nicht zu früh freuen.
Aber alles blieb bis abends gut, ich konnte mich sogar länger als normalerweise unter Deck aufhalten und eine Kleinigkeit kochen. Auch die anderen merkten, dass es mir besser ging und da die Wellen schwächer waren, wollten sie eine kleine Party machen. Ich wollte zwar keinen Alkohol trinken, um meinen Magen nicht zu überfordern, aber dafür tranken die anderen drei umso mehr und wir hatten einen lustigen Abend.
Segeltagebuch Tag 6 – Land in Sicht!
14.11.2021: Als ich an diesem Morgen aufwachte, war endlich Land in Sicht! Wir konnten die Umrisse von Teneriffa am Horizont deutlich erkennen. Es dauerte also nicht mehr lange, bis ich endlich wieder festen Boden unter den Füßen haben würde.
Mir ging es immer noch gut und ich freute mich auf die Ankunft am Hafen.
Endlich sahen wir auch wieder Tiere im Wasser, ich hatte mir schon die ganze Woche gewünscht, Wale zu sehen und nie bekamen wir welche zu Gesicht. An diesem, letzten Tag war es dann endlich so weit. Zuerst verwechselten wir sie mit zu groß geratenen Delfinen, denn die Grindwale machen ähnliche Bewegungen, aber dann erklärte uns der Kapitän, dass es keine Delfine, sondern kleine Wale seien.
Später legten wir etwas chaotisch am Hafen an. Als ich das erste Mal wieder festen Boden unter meinen Füßen hatte, fühlte sich dies aber zunächst ganz komisch, jetzt wackelte alles an Land!
Fazit meiner Segelerfahrung
Ganz ehrlich, ich hatte mir das Segeln und die Überfahrt etwas entspannter vorgestellt, ohne Seekrankheit und totaler Überforderung, aber wie konnte ich es auch vorher wissen. Ich war vorher noch nie so lange auf einem, relativ kleinen, Boot gewesen und für meinen Körper war alles Neuland. Dieses hin und her meines Körpers hat mich auch innerlich ausgelaugt, immer wieder stellte ich mir innerlich Fragen, wie ich das Ganze dreimal so lange bei einem Atlantik Crossing aushalten sollte.
Besonders in den ersten Tagen war mein Kopf so unglaublich voll, dass ich gar nicht mehr nachdenken konnte, obwohl ich über kaum etwas nachdachte. Aber ich war so damit beschäftigt, nicht wieder Seekrank zu werden und meinem Körper einzureden, dass alles in Ordnung sei und er sich mal endlich beruhigen könnte, dass für mehr einfach kein Platz mehr war.
Als es am vierten Tag besser wurde und auch gut blieb, schöpfte ich endlich neue Hoffnung und wollte der ganzen Sache mit dem Segeln noch eine zweite Chance geben. Außerdem fand ich auch keine andere Alternative, außer zu fliegen, um über den Ozean zu kommen. Und immerhin konnte mein Körper sich die letzten sechs Tage ein Bild von der Situation machen und sich daran gewöhnen und ich hoffe, er wird es bei der nächsten Überfahrt einfacher haben.
Dennoch bin ich auch froh, jetzt erstmal für einige Zeit an Land zu sein und nichts Schwankendes unter mir zu haben.
Hast Du auch ein Problem mit der Seekrankheit? Hast Du Tipps, was ich dagegen tun könnte?
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